Am Freitag hat der Bundestagsabgeordnete Adis Ahmetović in seiner zwölften Rede im Deutschen Bundestag für die Verlängerung des KFOR-Mandats in Kosovo geworben.

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- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Meine Damen und Herren!

Der längste Einsatz der deutschen Bundeswehr soll heute in die nächste Runde gehen. Zum 24. Mal stimmt das Parlament darüber ab, ob wir die NATO-geführte internationale Sicherheitspräsenz in der Republik Kosovo verlängern.

Zuallererst möchte ich die Chance nutzen, allen Soldatinnen und Soldaten unserer Bundeswehr für ihren unermüdlichen Einsatz zu danken. Seit 1999 leistet unsere Parlamentsarmee großartige Arbeit im Kosovo. Stellvertretend geht deshalb der Dank an unsere Wehrbeauftragte Eva Högl. - Schön, dass Sie heute dabei sind. Nehmen Sie diesen Dank mit. Danke an unsere Parlamentsarmee für die klasse Leistung!

Meine Damen und Herren, vor rund einem Jahr stand ich ebenfalls hier am Redepult und habe auf die sicherheitspolitische Relevanz die von Kosovo auf Europa ausgeht aufmerksam gemacht und mich für eine Fortsetzung des KFOR-Mandats eingesetzt.

Warum ist eine Präsenz 2023 und darüber hinaus notwendig?

Gehen wir in der Geschichte etwas zurück, ins Jahr 1998: Ein Konflikt zwischen serbischen Militär‑ und Polizeikräften und kosovo-albanischen Kräften führte zum Tod von mehr als 1 500 Kosovo-Albanern. Rund 400 000 Menschen wurden vertrieben. Der Konflikt verschärfte sich, als der ehemalige jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic - Sie erinnern sich an die gestrige Bundestagsdebatte zur Gründung des ICTY vor 30 Jahren; Milosevic wurde als Kriegsverbrecher vom Internationalen Strafgerichtshof angeklagt – alle seit 1963 erworbenen Autonomierechte des Kosovo annulliert und eine Abstufung zu einer „autonomen Region“ vornahm. Die Auseinandersetzungen eskalierten in einem Krieg. Die kosovarische und insbesondere kosovo-albanische Bevölkerung wurde Opfer von systemischen Überfällen, Vertreibungen und Massenmorden.

Mit dem NATO-Einsatz im Kosovo wurde die Kriegswelle in Südosteuropa, die von Slowenien und Kroatien über Bosnien und Herzegowina nach Kosovo überging, endgültig gestoppt. Zugleich haben die EU und das transatlantische Bündnis deutlich zu verstehen gegeben, dass die Zeit ethno-faschistischer Exzesse in Europa vorbei ist. Die Lage hat sich seitdem stabilisiert, dank KFOR.

Der Rückgang der Zahl der Soldatinnen und Soldaten über die Jahre des Einsatzes ist ein Indikator für diesen Erfolg. Eingangs setzte sich die KFOR aus rund 50 000 Männern und Frauen aus NATO-Mitgliedstaaten, Partnerländern und anderen Nicht-NATO-Staaten zusammen. 6 000 deutsche Soldatinnen und Soldaten wurden zu Beginn eingesetzt. Zurzeit gehören der KFOR-Mission knapp 3 800 Kräfte an, darunter etwa 70 aus unserer Bundeswehr. Die Mandatsobergrenze liegt bei bis zu 400 deutschen Streitkräften.

Meine Damen und Herren, jetzt, im Jahr 2023, befinden wir uns in einer anderen, aber dennoch ernsten Lage. Die jüngsten Ereignisse zeigen, dass KFOR auch nach 24 Jahren noch benötigt wird. Ein Abzug könnte einen fatalen Dominoeffekt für die gesamte Region zur Folge haben. Beispiele liefert das vergangene Jahr zuhauf. Erlauben Sie mir, dass ich einige wenige hier anführe:

  • Anfang Dezember 2022 verhaftete die kosovarische Polizei einen ehemaligen kosovarisch-serbischen Polizisten. Er soll bei einem Angriff auf kosovarische Wahlhelfer in Mitrovica einen Polizisten verletzt haben. Infolge der Verhaftung errichteten Serbinnen und Serben im Nordkosovo Straßensperren. Es kam zu Schusswechseln mit der kosovarischen Polizei.
  • Ende 2022 versetzte das Land Serbien seine Militärkräfte an der Grenze zur Republik Kosovo in die höchste Kampfbereitschaft, um - ich zitiere - „das serbische Volk im Kosovo zu schützen“. Die Regierung des Kosovo schloss als Reaktion ihrerseits den wichtigsten Grenzübergang zu Serbien.
  • Am 29. Dezember 2022 konnten wir eine bewaffnete Eskalation umgehen, weil die USA, die EU und KFOR dafür gesorgt haben, dass es nicht so weit kommt. Genau das, meine Damen und Herren, zeigt, warum wir dieses Mandat brauchen und unsere engagierten Soldatinnen und Soldaten.

Meine Damen und Herren, wir sprechen hier über einen Konflikt zweier Länder, die beide Mitglied der EU werden möchten. Und das ist auch richtig so. Das zeigt aber, dass wir das KFOR-Mandat noch immer brauchen, um im Ernstfall entschieden einzugreifen. Neben EUFOR Althea in Bosnien und Herzegowina dient KFOR im Kosovo dazu, dass wir Friedensgarantien auf dem westlichen Balkan haben. Das Allerwichtigste ist - diese Botschaft soll heute ganz klar an all diejenigen rausgehen, die immer noch versuchen, Grenzen zu verschieben, sie möglicherweise neu zu zeichnen: Mit KFOR und EUFOR Althea sind alle territorialen Architekturprojekte von Nationalisten auf dem Balkan vorbei. Dafür gibt es keinen Spielraum mehr auf dem Westbalkan. Die Grenzen sind fertiggezogen, meine Damen und Herren.

Lassen Sie uns zudem eines nicht vergessen: Wenn es Eskalationspotenziale gibt in Europa und wenn es Destabilisierungsmöglichkeiten gibt neben Osteuropa - wir sehen es am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, dann ist Südosteuropa ein mögliches Feld für Autokraten und Diktatoren, um Europa zu destabilisieren, um Demokratie, Freiheit und Frieden zu beschädigen.

Solange diese autokratischen Kräfte da sind, brauchen wir das KFOR-Mandat, um klar zu sagen: Wir lassen uns nicht einschüchtern von diesen autokratischen Kräften. Es gibt keinen Weg vorbei an Demokratie. Wir stehen dazu. Wir wollen Freiheit und Frieden garantieren. Dafür haben wir das KFOR-Mandat, meine Damen und Herren.

Zum Abschluss möchte ich den Menschen in Serbien und im Kosovo etwas mitgeben: Die KFOR-Mission kennt keine Hautfarbe, keine Religion, keine ethnische Zugehörigkeit. Alle Menschen im Kosovo, ob serbisch-orthodox oder muslimisch, im Norden oder im Süden, alle können sich darauf verlassen: Unsere Soldatinnen und Soldaten setzen sich für alle Menschen ein, für Gleichbehandlung, für Frieden, für Freiheit und Demokratie. Wir machen keine Unterschiede. Menschen sind Menschen, und sie sollen alle - in Serbien, im Kosovo und im Westbalkan - in Frieden, Freiheit und Demokratie leben.

Vielen Dank.