Statement des Bundestagsabgeordneten Adis Ahmetovic zu den Protesten im Iran: "Menschenrechtsverletzungen dürfen nicht unbeantwortet bleiben."

Die landesweiten und seit Wochen anhaltenden Proteste in Folge des Todes von Jina Mahsa Amini in den Händen der iranischen „Sittenpolizei“ schaffen eine beispiellose und grenzübergreifende Solidaritätsbewegung, welche die totalitäre Herrschaft der Islamischen Republik insgesamt infrage stellt. Seit mehr als 40 Jahren gründet sich die politische Herrschaft des Revolutionsführers auf einem gewaltsamen Aufzwingen einer freiheitsfeindlichen islamistischen Gesellschaftsordnung. Insbesondere Frauen und Mädchen leiden seit Tag 1 der Islamischen Revolution am härtesten unter der Kriminalisierung fundamentaler Freiheitsrechte. Der gelebte Pluralismus der Proteste, die von Kurdistan über Teheran bis nach Sistan und Beluchistan reichen, sowie die führende Rolle der kämpferischen Frauen verdeutlichen den fortschrittlichen Charakter der Proteste, welche die iranische Gesellschaft in ihrer Breite abbilden. Die brutalen und gewaltsamen Reaktionen, mit denen die Polizei und die Milizen der Revolutionsgarde diesen legitimen und notwendigen Protesten begegnen, unterstreichen die antidemokratische Haltung des Staates. Die Folge sind Hunderte Tote und Tausende Verletzte und Gefangene. Dies ist unter keinen Umständen hinnehmbar und stellt die deutsch-iranischen Beziehungen grundlegend auf den Prüfstand.

Für mich ist klar: Diese massenhaften und systematischen Menschenrechtsverletzungen dürfen nicht unbeantwortet bleiben. Als Sozialdemokrat, Außenpolitiker und Feminist stehe ich fest an der Seite der Iranerinnen und Iraner in ihren Forderungen nach Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie. Es liegt auch in der Verantwortung der SPD und der Bundesregierung, dieser autoritären Gewaltherrschaft spürbare Konsequenzen entgegenzusetzen.

Bereits im Oktober hat die EU unter führender Rolle Deutschlands Sanktionen gegen den Iran beschlossen, die gezielt Regimeverantwortliche wie die „Sittenpolizei“ und die Revolutionsgarde treffen, darunter auch Issa Zarepour, Minister für Informations- und Kommunikationstechnologie, der maßgeblich verantwortlich für die anhaltenden Internetsperren ist. Gelistete Personen und Organisationen sind hierdurch von Vermögensfestsetzungen betroffen, auch der Handel mit europäischen Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern ist sanktioniert. Des Weiteren werden sanktionierte Personen mit EU-Einreisesperren belegt. Durch das koordinierte europäische Vorgehen können wir die Wirkungskraft der Sanktionen deutlich verstärken und damit den Druck auf das Regime erhöhen. Der Bundestag hat ergänzend dazu letzte Woche eine Resolution verabschiedet, welche die Gewalt des Mullah-Regimes deutlich verurteilt und eine Ausweitung und Verschärfung der Sanktionen fordert. Dies hat die Bundesregierung unmittelbar umgesetzt. Auf Vorschlag Deutschlands hat die EU Anfang dieser Woche ein weiteres Sanktionspaket beschlossen, das gezielt Verantwortliche des Staatsapparates, insbesondere die Revolutionsgarde und ihre Finanzstrukturen trifft. Insgesamt 31 weitere Personen und Einrichtungen des Regimes sind von diesen Maßnahmen betroffen. Die Botschaft dabei ist unmissverständlich. Um es in den Worten unseres Bundeskanzlers zu sagen: „Wer so handelt, muss mit unserem Widerstand rechnen.“ Diese Maßnahmen sind wichtige Schritte, um dem Gewaltsystem Khameneis schmerzhafte Konsequenzen entgegenzusetzen. Für mich ist jedoch klar, dass es zukünftig weiterer und härterer Sanktionen bedarf, um die Revolutionsgarde und ihre Schattenwirtschaft wirksam zu treffen. Jede Ader und jede Quelle, die mit dem Finanzapparat der Revolutionsgarde verbunden ist, muss stillgelegt werden. In Deutschland und der gesamten Europäischen Union!

Darüber hinaus wird die Bundesregierung weitere Maßnahmen ergreifen, um auf die anhaltenden und schweren Menschenrechtsverletzungen der iranischen Regierung aufmerksam zu machen und diese in die Öffentlichkeit zu tragen. Deutschland wird sowohl den Tod von Jina Mahsa Amini, als auch die staatliche Gewalt gegen die protestierenden Iranerinnen und Iraner und die Tötung von Hunderten Demonstrantinnen und Demonstranten vor den UN-Menschenrechtsrat bringen und dieses Forum auch weiterhin nutzen, um iranische Menschenrechtsverletzungen auf internationaler Ebene zu thematisieren. Hierfür werden aktuell auch Beweise gesammelt, die dann auf internationaler Ebene präsentiert und vorgebracht werden können. Das Regime darf sich nicht hinter einer Mauer von Gewalt und Desinformation verstecken können, dafür werden wir sorgen!

Das Mullah-Regime versucht zudem durch sein globales Netzwerk auch in Deutschland Fuß zu fassen, demokratische Iranerinnen und Iraner zu bedrohen und seinen Einfluss auf unsere Gesellschaft auszubauen. Deshalb ist es wichtig, dass schutzsuchende Iranerinnen und Iraner in Deutschland in Sicherheit leben können und nicht abgeschoben werden dürfen, so wie es die meisten Bundesländer aktuell auch umsetzen und sowohl die Bundesinnenministerin als auch der Deutsche Bundestag fordern. Ich werde mich auch weiter dafür einsetzen, dass Abschiebungen von iranischen Flüchtlingen gestoppt werden und unterbunden bleiben. Deutschland muss ein sicherer Ort für Verfolgte und Schutzsuchende sein! Insbesondere vor diesem Hintergrund ist es nicht hinnehmbar, dass Mullah-treue Regimeanhänger wie die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS) und das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit staatliche Fördermittel und Kooperationen missbrauchen, um islamistische und antisemitische Staatspropaganda zu verbreiten. Die letzte Woche vom Bundestag beschlossene Resolution fordert zu prüfen, ob das IZH als Operationseinrichtung des iranischen Regimes geschlossen werden kann. Darüber hinaus werde mich dafür stark machen, diese Organisationen aus staatlichen Kooperationsformaten auszuschließen und mich ebenfalls dafür einsetzen, die Ausweisung ausländischer Imame im Dienste dieser Organisationen zu prüfen, wie es die Hamburger Innenbehörde im Fall des IZH-Funktionärs Soleiman Mousavifar getan hat. Es wirkt zynisch, dass iranische Anhänger der Theokratie unsere Demokratie und die damit verbundenen Freiheitsrechte zur Verbreitung ihrer Propaganda nutzen, während ihr System Menschen im Iran, die eben diese Freiheitsrechte einfordern, brutal unterdrückt.

Die letzten Wochen haben gezeigt, dass Parlament und Regierung in dieser Angelegenheit eng zusammenarbeiten und gemeinsam alle politischen Ebenen nutzen, um das iranische Volk zu unterstützen und den Druck auf das Mullah-Regime zu erhöhen. Als Abgeordneter werde ich auch zukünftig alle mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, um diesen Druck zu erhalten und weiter zu verstärken. Es ist mir ein besonderes Anliegen, Menschenrechte in unseren auswärtigen Beziehungen und unserer Interessenformulierung stets einzubinden. Diese Position werde ich auch weiterhin innerhalb meiner Fraktion vertreten und dafür sorgen, dass die Stimme der Freiheit der Iranerinnen und Iraner im Bundestag Gehör findet. Sowohl der russische Angriffskrieg auf die Ukraine als auch die gewalttätige Repression gegen die iranischen Proteste zeigen, Freiheit und Sicherheit gehen Hand in Hand", betont der Bundestagsabgeordnete Adis Ahmetovic.