Dritte Rede im Deutschen Bundestag – „Zeitenwende in der deutschen Westbalkan-Politik“
In seiner dritten Rede im Deutschen Bundestag zum Antrag der CDU/CSU „Mit einer engagierten Politik die EU-Perspektive für die Staaten des westlichen Balkans erneuern“ ist der Bundestagsabgeordnete Adis Ahmetovic auf eine notwendige Beschleunigung der EU-Beitrittsprozesse für die Westbalkan-Staaten eingegangen.
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Dritte Rede von Adis Ahmetovic, MdB, im Deutschen Bundestag am 22. Juni 2022 zu TOP 4 – Antrag CDU/CSU „Mit einer engagierten Politik die EU-Perspektive für die Staaten des westlichen Balkans erneuern“
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!
es freut mich, dass wir heute erneut über den Westbalkan sprechen. Nachdem in der deutschen Westbalkanpolitik lange auf den Erhalt des Status Quos gesetzt wurde, bekommt die Region nun wieder mehr Aufmerksamkeit. Das ist deutlich spürbar.
Mit der neuen Bundesregierung kommt Bewegung in die deutsche Westbalkanpolitik – es weht ein neuer Wind im Deutschen Bundestag – und das ist auch gut so.
Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nord-Mazedonien, Serbien. Dies sind die sechs kleinen Länder im Südosten Europas, über die wir sprechen. Klein – aber keinesfalls unbedeutend. Oftmals werden diese Länder und die gesamte Westbalkanregion als Rand - als Hinterhof Europas dargestellt.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen aber eines: Südosteuropa, der Westbalkan – das ist nicht der Hinterhof, sondern der Innenhof Europas und als solcher fundamental wichtig für Frieden und Sicherheit auf unserem Kontinent.
Knapp vier Monate sind seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine vergangen. Ein Angriffskrieg, der uns auch vier Monate später noch zutiefst erschüttert. In enger Absprache mit unseren internationalen Partnern haben wir entschlossen reagiert, und klar gezeigt, dass wir an der Seite der Ukraine stehen. Wir haben eine „Zeitenwende“ ausgerufen und dies bedeutet auch eine Zeitenwende in der deutschen Westbalkanpolitik.
Die Europäische Union ist eines der erfolgreichsten Friedensprojekte der Geschichte - ein Garant für Frieden, Freiheit und Fortschritt ihrer Mitglieder. Es liegt deshalb in unserer Verantwortung, die Annäherung des Westbalkans an die EU nun tatkräftig voranzutreiben. Jetzt ist der historische Moment da: Wir müssen die Länder des Westbalkans auf ihrem Weg in die EU unterstützen!
Was passiert, wenn wir dies nicht tun und die Region weiterhin vernachlässigen, zeigt sich bereits heute:
Drittstaaten wie China, die Vereinigten Arabischen Emirate und eben auch Russland haben längst die Zögerlichkeit der EU als geostrategische und wirtschaftliche Chance erkannt. Seit Jahren bauen sie ihren autokratischen Einfluss aus und füllen das Machtvakuum, das die EU in Südosteuropa hinterlassen hat.
Es sollte uns beunruhigen, wenn in St. Petersburg Staatspräsidenten aus der Region hofiert werden und von freundschaftlichen Beziehungen gesprochen wird.
Es sollte uns beunruhigen, wenn der russische Botschafter in Bosnien und Herzegowina dem Land droht, sollte es der NATO beitreten.
Noch ist es nicht zu spät, aber wir müssen jetzt aktiv werden.
Es ist nicht nur der Krieg in der Ukraine und das Zurückdrängen dieser Drittstaaten, welche das momentane Opportunitätsfenster begründen, sondern auch die Zustimmung der Bevölkerung. Noch befürwortet eine Mehrheit der Menschen auf dem Westbalkan einen EU-Beitritt! Sie warten allerdings schon lange – teilweise zu lange - und sind enttäuscht über den stagnierenden Beitrittsprozess.
Meine Damen und Herren, uns allen sollte klar sein: Ohne schnelle Fortschritte bei den EU-Beitrittsverhandlungen wird diese Zustimmung zur EU auf dem Westbalkan kippen und der europäische Geist erlöschen.
Bezeichnendes Beispiel hierfür ist Nordmazedonien: Auf dem Weg in die EU hat das Land 2019 einen jahrelangen Namensstreit mit Griechenland friedlich beigelegt. Eine herausragende historische Leistung! Als die Beitrittsverhandlungen zur EU dann 2020 aufgenommen werden sollten, nutzte Bulgarien sein Veto, unter der Begründung, Nordmazedonien solle seine bulgarischen Wurzeln anerkennen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen: Solche Blockade-Verhalten schaden der EU!
Deshalb sage ich auch ganz klar: Wir begrüßen die Vorschläge unseres Bundeskanzlers, die Entscheidungsfindung innerhalb der EU zu reformieren und die EU-Erweiterung in Südosteuropa wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Nicht zuletzt durch seine Reise in die Region hat Olaf Scholz gezeigt, welch hohe Priorität die Erweiterung für die Bundesregierung hat. Auch das ist Teil der Zeitenwende.
Zeitenwende – das bedeutet Wandel, den es zu gestalten gilt, in dem wir entschlossen auftreten und etwas wagen. Was dies für den Westbalkan bedeutet, möchte ich noch einmal konkret skizzieren:
- Bosnien und Herzegowina sollte morgen beim EU-Gipfel den Kandidatenstatus erhalten.
- Die Visa-Liberalisierung für Kosovo sollte schnell auf den Weg gebracht werden.
- Die seit 2012 laufenden und aktuell stockenden Beitrittsverhandlungen mit Montenegro brauchen eine neue Dynamik und schnelle, sichtbare Fortschritte.
- Die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien sollten schnell eröffnet werden. Das Veto Bulgariens muss überwunden werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns gemeinsam dafür stark machen, dass wir schon beim morgigen EU-Gipfel unter Beweis stellen, dass die EU glaubwürdig und handlungsfähig ist.
Herr Bundeskanzler, lieber Olaf; Frau Außenministerin, liebe Annalena,
wie Sie lesen, hören und spüren können, haben Sie die Rückendeckung aus dem Parlament dafür. Lassen Sie uns jetzt aktiv werden.
Lassen Sie uns die Westbalkanstaaten in die Europäische Union, in die Europäische Familie endlich aufnehmen.
Noch schlagen die Herzen auf dem Westbalkan für die EU. Noch ist es nicht zu spät - aber wir müssen jetzt aktiv werden!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!