Am Donnerstag hat der Bundestagsabgeordnete Adis Ahmetović seine zehnte Rede im Deutschen Bundestag gehalten.

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Zehnte Rede von Adis Ahmetović, MdB, im Deutschen Bundestag am 2. März 2023 zu ZP2 – Antrag LINKE „Diplomatie statt Panzer – Für eine Verhandlungsinitiative zur Beendigung des Krieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine“

- Es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir debattieren heute im Deutschen Bundestag über einen Antrag der Fraktion Die Linke. Diesen möchte ich mit Ihnen einmal genauer durchgehen - nicht Wort für Wort, keine Sorge, aber doch einige auffällige Passagen.

Die Linke fordert ein Ende des Krieges - eine Aussage, die wir im Grundsatz mittragen. Nach 371 Tagen des brutalen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wünschen sich alle demokratischen Partner einen Frieden in der Ukraine und Europa.

Weiter im Text heißt es sinngemäß, die Bundesregierung möge sich für Friedensverhandlungen zusammen mit europäischen und nichteuropäischen Staaten, zum Beispiel Brasilien, einsetzen. Auch das ist im Grundsatz in Ordnung. Wir müssen das breite Spektrum diplomatischer Möglichkeiten weiter ausreizen, zum Beispiel mit China oder Indien in bilateralen Gesprächsformaten oder im Rahmen von multilateralen Treffen wie G 20, was schon passiert. Das machen unsere Außenministerin, unser Bundeskanzler und unser Bundesverteidigungsminister.

Erlauben Sie mir, eine weitere Stelle aus dem Antrag wiederzugeben; und da möchte ich fair sein. Sie sagen: Die humanitäre Hilfe für die Ukraine muss verstärkt werden.

Da bitte ich auch um Fairness von Ihrer Seite uns gegenüber, auch von Ihnen, Herr Gregor Gysi; denn - mein Kollege Jürgen Trittin hat es auf den Punkt gebracht - es ist einer unserer Schwerpunkte in der Außen- und Sicherheitspolitik und auch in der Entwicklungs- und Zusammenarbeitspolitik, die Ukraine humanitär und im Bereich der Katastrophenhilfe zu unterstützen - aktuell seit Kriegsbeginn mit 12,5 Milliarden Euro. Wenn Sie sagen, dass wir nicht bereit dazu sind, dann ist das die Unwahrheit, dann ist das eine Lüge, die auch so zu Protokoll gegeben werden muss.

Jetzt kommen wir aber mal zu den Dingen, die nicht im Antrag stehen und nicht thematisiert werden, ob bewusst oder unbewusst. Beides bezeichne ich aber als fahrlässig.

Beginnen wir gleich mit dem Titel Ihres Antrags: „Diplomatie statt Panzer“. Dieser impliziert zwei fundamental falsche Grundannahmen. Wenn wir erstens die diplomatischen Bemühungen hochfahren und zweitens aufhören würden, die Ukraine militärisch zu unterstützen, dann wäre nach der Logik der Linkspartei der Krieg mit einem Mal gestoppt. Das heißt: Der Krieg wäre zu Ende, wenn wir aufhören würden, militärisch zu unterstützen, und ausschließlich Diplomatie an den Tag legen würden. Meiner Meinung nach, meine Damen und Herren, ist das ein Trugschluss. Lassen Sie es mich ganz, ganz deutlich sagen: Das wäre der Todesstoß für eine demokratische, freie und souveräne Ukraine.

Diplomatie gab es schon vor der russischen Invasion, vor dem 24. Februar 2022, als die russische Invasion gestartet wurde. Zu der Zeit wurde nicht einmal darüber diskutiert, in näherer Zeit Kampf- und Schützenpanzer zu liefern. Trotzdem haben alle diplomatischen Versuche nicht geholfen, weil Russland nicht bereit ist, von seinem Kriegsziel abzuweichen. Das Kriegsziel Putins ist ganz klar: Die Ukraine ist kein Staat für ihn. Sie hat für ihn kein Existenzrecht, und die ukrainische Nation gibt es nicht. Deshalb lässt Putin seit über einem Jahr die Ukraine bombardieren. Unschuldige Menschen verlieren ihr Leben. Frauen werden vergewaltigt, Kinder werden entführt, Soldaten auf beiden Seiten verlieren ihr Leben.

Ich möchte an dieser Stelle nicht aufhören, diesen Denkfehler der Linkspartei weiter aufzuschlüsseln. Lassen Sie uns mal in Szenarien denken, vor allem, weil auch die Leute draußen zugucken. Mir ist es nicht so wichtig, Sie zu überzeugen; ich möchte vor allem die Menschen da draußen überzeugen, die vielleicht noch nicht hundertprozentig verstehen, was wir gerade tun. Das ist auch in Ordnung, weil es nicht selbstverständlich ist, in einer Zeit des Krieges zu leben und aufzuwachsen und Waffen liefern zu müssen.

Szenario: Würde Putin aufhören mit dem Krieg, wenn wir keine Waffen mehr liefern? Würde es einen echten Waffenstillstand geben, und würden die russischen Soldaten sich zurückziehen, wenn wir aufhörten, Waffen zu liefern?

Würde die Angst vieler anderer osteuropäischer Länder, Finnlands oder Schwedens schwinden und würden sie die Garantie bekommen, frei vom autoritären, destabilisierenden russischen Einfluss zu sein? Ich sage Ihnen: Die Antwort auf alle drei Fragen lautet ganz klar: Nein.

Lassen Sie es mich deutlich sagen: Putin würde weitermachen, auch mit Diplomatie und ohne Waffen. Er würde nicht zurückschrecken. Er würde weiter versuchen, die Ukraine gewaltsam auseinanderzupflücken.

Es ist immer wichtig, das zu betonen: Friedensverhandlungen? Auf jeden Fall - auf Augenhöhe, jederzeit und lieber gestern als morgen. Aber: Jede russische Waffenpause würde Putin nutzen, um sich vorzubereiten, auszurüsten, aufzurüsten, um gewaltsam zu einem Zeitpunkt X damit weiterzumachen, die Ukraine von der Landkarte zu fegen. Alles andere ist doch Humbug, liebe Linksfraktion. Deshalb müssen wir die Ukraine diplomatisch, finanziell, humanitär, aber auch militärisch unterstützen.

Zum Schluss: Wenn Sie wirklich glaubwürdig solidarisch an der Seite der Ukraine stehen wollen, wenn Sie einen nachhaltigen, echten Frieden wollen, dann distanzieren Sie sich geschlossen von Sahra Wagenknecht!

Schmeißen Sie sie aus der Fraktion und danach aus der Partei! Erst dann sind Ihre Worte glaubwürdig und die Solidarität mit der Ukraine ebenfalls.

Vielen Dank.