75 Jahre Europarat – ein Moment des Aufatmens


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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!
Der Diskussionsverlauf zu diesem Anlass - 75 Jahre Mitgliedschaft Deutschlands im Europarat - irritiert mich ein wenig. Es wundert mich nicht, dass Reden von rechts außen antieuropäisch sind.
Was mich aber wundert, ist, wenn wir als demokratische Fraktionen denen hier das Feld überlassen und uns gegenseitig mit Vorwürfen belasten.
Lasst uns gemeinsam als demokratische Fraktionen - Union, Grüne, SPD und Linkspartei - dafür sorgen, dass der Tagesordnungspunkt hier heute gefeiert wird und Regierungsmitglieder nicht mit irgendwelchen Vorwürfen belastet werden, meine Damen und Herren!
Lasst uns doch noch mal zurückdenken und zurückschauen: 75 Jahre Mitgliedschaft im Europarat, was bedeutet das eigentlich für unser Land? In was für einer Zeit befanden wir uns 1950? Europa lag da noch in Trümmern, und dann kamen europäische Staaten auf uns, Deutschland, zu. Obwohl wir aufgrund einer faschistischen Regierung, aufgrund eines faschistischen Regimes zum zweiten Mal in Folge Europa in Trümmern hinterlassen hatten, kamen europäische Partner auf uns zu und reichten uns die Hand - nicht nur im Sinne eines politischen Aktes, sondern es ist auch für uns und für uns als Teil des Kontinents quasi ein moralischer Neubeginn gewesen.
Denn was zeichnet eine Mitgliedschaft im Europarat eigentlich aus, und was sagt sie aus? Sie zeichnet sich durch gemeinsame Grundwerte aus. Sie verpflichtet uns, uns für die Würde des Menschen, für die Freiheit des Denkens und die Stärkung des Rechtes einzusetzen. Deshalb können wir stolz sein, seit 75 Jahren Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Deshalb ist der heutige Tag ein Anlass, zu feiern, meine Damen und Herren.
Europa ist kein geografischer Zufall, Europa ist ein ethisches Projekt, und wir sollten Europa und den Europarat nicht nur mit Pathos, sondern auch mit Prinzipien verteidigen. Deshalb unterstütze ich und untermauere die Aussagen meiner Kolleginnen und Kollegen, die vor mir gesprochen haben und gesagt haben, dass es richtig ist, den Aggressor Russland infolge des andauernden Angriffskrieges auf die Ukraine aus dem Europarat auszuschließen.
Es ist richtig, wenn wir uns gemeinsam gegen Korruption starkmachen; denn das ist nicht der politische Stil, den wir gemeinsam als demokratische Fraktionen wollen.
Es ist auch richtig - danke, lieber Knut Abraham, dass du es vor dem Außenminister, vor der Bundesregierung klargemacht hast -, dass auch die junge Demokratie Kosovo endlich Mitglied des Europarates werden muss. Lassen Sie uns heute dieses Signal aussenden, meine Damen und Herren!
Wir müssen aber Europa weiterdenken; denn Europa endet nicht an seinen Außengrenzen. Die Welt blickt auf uns, nicht weil wir die Lautesten sind, sondern weil wir zeigen, dass Zusammenarbeit stärker ist als Zynismus, dass Vielfalt keine Bedrohung ist, sondern Reichtum, dass ein geeintes Europa keine Utopie ist, sondern eine Gemeinschaftsaufgabe. Wir brauchen ein Europa, das strategisch denkt, solidarisch handelt und in der Lage ist, Frieden zu sichern, wo andere tagtäglich bewusst versuchen, zu destabilisieren. Europa ist ein Akteur in einer multipolaren Welt. Wir sind ein multipolarer Akteur.
Wir werden deshalb entschlossen, geeint und wirksam handeln; denn wir wollen eine Welt, die nicht vom Recht des Stärkeren dominiert wird, sondern vom internationalen Recht, von einer regelbasierten Weltordnung. Für uns kennt das Völkerrecht keine Religion, für uns kennt das Völkerrecht keine ethnische Zugehörigkeit und keine geografische Verortung. Für uns hat das Völkerrecht eine Universalität, egal ob in der Ukraine oder im Nahen Osten.
Wir wollen ein Europa, das mit Diplomatie glaubwürdig handelt, Sicherheit mit Weitsicht bedient und die Entwicklungen mit Respekt verbindet. Deutschland ist Teil dieser wunderbaren Geschichte: 75 Jahre. Ich bin überzeugter deutscher Staatsbürger, ich bin überzeugter Abstammungseuropäer, ich liebe diesen Kontinent, und ich finde es gut, dass wir als Europäerinnen und Europäer zusammen mit verbündeten Staaten dafür sorgen, dass wir in einer friedlichen Welt leben. Deshalb: Wir sind Teil dieser Geschichte und werden auch Teil dieser Zukunft bleiben.
Vielen Dank.