Erste Rede von Adis Ahmetovic im Deutschen Bundestag
Am heutigen Donnerstag hat der Bundestagsabgeordnete Adis Ahmetovic seine erste Rede im Deutschen Bundestag gehalten.
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- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Es ist mir eine große Ehre, heute hier und jetzt vor Ihnen zu stehen und als junger Abgeordneter zur Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands zu sprechen. Das Thema aber, zu dem ich heute meine erste Rede halten darf, ist ein sehr besorgniserregendes und sehr bedrohliches. Die Gefahr eines Krieges auf europäischem Boden ist so groß wie seit den 90er-Jahren nicht mehr.
Mehrere Generationen in der EU und in weiten Teilen Europas sind mit der Abwesenheit von Krieg aufgewachsen. Frieden ist für sie etwas Selbstverständliches - auch wenn wir immer wieder davon ausgehen mussten, dass es zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen kann.
Das sehen wir gerade im aktuellen Ukraine-Konflikt. Diese immer größer werdende Gefahr eines militärischen Konflikts nehmen die Menschen unseres Landes wahr. Täglich bekommen wir viele Zuschriften. Die Menschen fordern uns auf, für Stabilität und Frieden zu sorgen. Und das, meine Damen und Herren, dürfen die Menschen auch zu Recht erwarten. Eine liberale Demokratie, wie sie die Bundesrepublik Deutschland ist, wie sie sie lebt und auch ausfüllt, hat den Auftrag, unbeirrbar für Frieden und Stabilität in Europa zu sorgen.
Wir müssen jeden diplomatischen Schritt bis zum Letzten ausreizen und die Türen für die friedliche Beendigung dieses Konfliktes bis zum Schluss offenhalten, ohne dass wir unsere Werte aufgeben.
Keine Seite wird aus diesem Konflikt als Gewinner hervorgehen. Deshalb wollen wir keinen Krieg, sondern Frieden mit Diplomatie.
Auch wenn der Weg der Diplomatie oft steinig ist und von einigen gar als Zeichen der Schwäche, Nachgiebigkeit oder Nachsichtigkeit gegenüber Russland verstanden wird: In diesem Fall ist die Diplomatie der einzig richtige Weg und ein klares Signal für Mut und Entschlossenheit. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Hass und jede Form von Gewalt ausgehend von Autokratien und Diktaturen niemals, aber auch wirklich niemals stärker sein werden als die Kraft der Demokratie und das Zusammenspiel aller demokratischen Staaten in Europa.
Um es aber mit aller Deutlichkeit zu sagen, damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Sollte es durch Russland eine neue militärische Aggression gegen die Ukraine geben, die ihre territoriale Integrität und Souveränität weiter untergräbt, muss Russland mit harten Sanktionen und Reaktionen rechnen, die wir gemeinsam und geschlossen mit unseren Verbündeten in Europa und in der NATO umgehend verabschieden werden.
Ich bin dankbar, dass wir über diese akute Bedrohungslage heute wieder im Parlament sprechen. Ich bin mir sicher, dass wir uns alle einig sind, was das Ziel angeht: Wir wollen keinen Krieg in der Ukraine, wir wollen Frieden in ganz Europa. Anders aber als die Oppositionsparteien wählen wir als Regierungsfraktionen einen anderen Weg. Wir reagieren nicht mit Gegen-Aggressionen auf Aggressionen oder stellen uns parteiisch auf die Seite Russlands. Wir kommen nämlich nur dann einen Schritt voran, wenn sich alle Verhandlungspartner auf Augenhöhe begegnen.
Ich bin froh, dass wir einen Kanzler wie Olaf Scholz haben und eine Außenministerin wie Annalena Baerbock, die in den vergangenen Tagen und Wochen einmal mehr bewiesen haben, was Besonnenheit und Ruhe bewirken können in der internationalen Politik. Dieser Erfolg der letzten Tage ist ein Erfolg von Annalena Baerbock und von Olaf Scholz, meine Damen und Herren.
Beide haben ganz klar dem Dialog und der Diplomatie eine neue, positive Qualität verliehen. Sie haben gezeigt, dass es auch noch auszuschöpfendes Potenzial gibt: Einhaltung und vollständige Umsetzung des Minsk-II-Abkommens, Rüstungskontrolle zwischen der NATO und Russland, vereinbarte kontinuierliche Dialoge im NATO-Russland-Rat sowie im Normandie-Format und auch zivilgesellschaftliche Lösungen wie eine Visaliberalisierung für junge Russinnen und Russen, um den Austausch zwischen Ost und West voranzutreiben.
Was wir für die Zukunft brauchen - daran müssen wir in den nächsten Jahren aktiv und intensiv arbeiten, meine Damen und Herren, ist eine gemeinsame Sicherheitsstruktur und -architektur, bei der wir Russland nicht ausschließen.
Wenn wir jetzt mit unseren diplomatischen Bemühungen scheitern, wird die steigende Anspannung zu einem Dominoeffekt führen und zu einem Brandbeschleuniger für andere Konflikte in Europa werden, wie zum Beispiel auf dem Balkan.
Herr Gysi, ich schätze Sie eigentlich, bin aber fassungslos über Ihre Ausführungen. Ich würde Sie gerne einmal in den westlichen Balkan mitnehmen, ob nach Kroatien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina. Lassen Sie uns schauen, was zwischen 1991 und 1999 dort passiert ist. Über 200 000 Tote hat der Jugoslawienkrieg gefordert. Hätte man 1999 nicht agiert, hätte es eine Fortsetzung des Mordens gegeben. Deswegen war das eine richtige Entscheidung; das hat Olaf Scholz in Moskau auch klargemacht.
Zum Schluss möchte ich klar betonen - Frau Präsidentin, ich weiß, meine Redezeit ist zu Ende: Wenn es zu Grenzverschiebungen in der Ukraine, in Montenegro oder in Bosnien und Herzegowina oder anderswo in Europa kommen sollte, werden wir das nicht hinnehmen. Deshalb lassen Sie uns gemeinsam vereint die Stärke und Stahlkraft dieses Parlamentes nutzen, um den Frieden und die Freiheit in Europa zu verteidigen. Es schlägt die Stunde der Diplomatie und Friedenspolitik.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.